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Erläuterungen zu den wichtigsten Pflanzengiften
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Alkaloide
Alkaloide sind basische, stickstoffhaltige Verbindungen, die meist bitter schmecken und giftig auf das zentrale Nervensystem wirken. Die meisten Alkaloide enthalten Stickstoff-Heterocyclen und leiten sich strukturell von Aminosäuren ab. Ausnahmen hierzu sind Alkaloide mit nicht-heterocyclischen Stickstoffatomen (z.B. Mescalin und Colchizin) sowie die sog. Pseudoalkaloide, welche kein Aminosäuregrundgerüst besitzen. Die wichtigsten Vertreter der Pseudoalkaloide sind die Terpen-Alkaloide.
Obwohl die Alkaloide zu den wichtigsten Pflanzengiften gehören, existiert bisher keine allgemeingültige Definition. Die Einteilung erfolgt entweder nach den Namen der Pflanzen, in denen sie vorkommen, oder nach der chemischen Struktur des stickstoffhaltigen Grundgerüstes. Letztere Einteilung ist gebräuchlicher. Häufige Alkaloid- Untergruppen sind demzufolge Pyrrolidin-, Pyridin-, Steroid-, Chinolin-, Indol- und Purin-Alkaloide.
Bezüglich einzelner Pflanzen spricht man oft - je nach Gehalt - von Haupt- und Nebenalkaloiden.
Die häufigsten Symptome sind:
Erbrechen, Durchfall, Benommenheit, Bläschenbildung auf der Haut,
Krämpfe, Schwindel, Lähmungen sowie Kollaps, Koma und Atemlähmung.
Phenole, Phenolderivate
Phenole wirken stark ätzend auf die Haut und werden über die Haut gut resorbiert. Symptome können Schleimhautreizungen, Atemlähmung, Delirien und Herzstillstand sein. Vermehrte Aufnahme kann zu Nervenstörungen und Nierenschädigung führen.
Terpene, Triterpene, Diterpenester
Terpene, eine Untergruppe der Terpenoide, sind Hauptbestandteil der in Pflanzen vorkommenden ätherischen Öle. Sie bestehen vor allem aus einem Kohlenstoffgerüst und besitzen nur eine geringe Anzahl von funktionellen Gruppen. Terpenoide sind ähnlich aufgebaut, haben jedoch andere Eigenschaften, da sie zusätzlich zum Kohlenstoffgrundgerüst Alkohol-, Glycosid-, Ether-, Aldehyd-, Keton-, Carbonsäure- und Ester-Gruppen im Molekül aufweisen.
Ätherische Öle
Ätherische Öle bestehen vor allem aus verschiedenen Terpenen (Isoprenoiden) und anderen flüchtigen aromatischer Verbindungen. Ihre stark reizenden (!) Eigenschaften können in geringen Dosen positive Wirkungen haben, z.B. Erleichterung der Atmung, Anregung der Durchblutung oder verdauungs- und appetitfördernde Wirkung durch Reizung der Geruchs- und Geschmacksnerven. Die ätherischen Öle von Liebstöckel oder Wacholderbeeren wirken z. B. durch Reizung der Nieren harntreibend.
Cumarine und Furanocumarine
Cumarine sind Stoffe, die z. B. für den typischen Geruch von Heu, frisch gemähtem Gras oder Waldmeister verantwortlich sind. In ihrer ursprünglichen Form sind sie glycosidisch gebunden und ungefährlich. Wird jedoch diese Bindung hydrolytisch (z.B. durch Enzyme oder Schimmelpilze) gespalten, entstehen Dicumarol sowie weitere lipidlösliche Derivate. Diese können im Organismus leicht resorbiert werden und führen zu Müdigkeit, Erbrechen, zentralnervösen Störungen, Lähmungen, Koma und Atemstillstand.
Die LD50 von Cumarin-Derivaten beim Huhn beträgt ca. 2 - 100
mg/kg Körpergewicht. Als Gegenmittel bei einer Cumarin-Vergiftung kann
Vitamin K1 als hoch dosierte, intravenöse oder subkutane
Applikation versucht werden.
Furocumarine (auch Furanocumarine) können durch Sonnenlicht
(UV-Strahlung) photoaktiviert werden und erzeugen Hautrötungen,
Blasenbildung und Verbennungen („Photosensibilisierung“,
„Phototoxizität“). Zusätzlich wechselwirken sie unter Einwirkung von
UV-Strahlung mit der DNA und wirken dadurch krebserregend.
Catechine, Gerbstoffe
Es gibt, je nach Aufbau und Grundstruktur, verschiedene Gruppen von Gerbstoffen: Aluminiumsalze, Tannine und Catechine.
Catechine sind Untereinheiten von Gerbstoffen und gehören zu den Polyphenolen. Sie kommen z. B. auch in Tee, Kakao, Schokolade und Wein vor. Gerbstoffe wirken adstringierend (zusammenziehend), blutstillend, keim- und entzündungshemmend. Sie werden in der Naturmedizin z. B. bei Hauterkrankungen, Durchfall und Infektionen eingesetzt. In zu hohen Dosen wirken sie jedoch haut- und schleimhautreizend, schädigen den Magen-Darm-Trakt, führen zu Verstopfung und Leberschäden.
Gerbstoffe können Eiweiße denaturieren, d. h. sie verändern deren chemische Struktur und Reaktivität. Diese veränderten Eiweiße werden fest oder „verklumpen“ (Blutstillung) und können von Mikroorganismen nur noch sehr schwer oder gar nicht mehr abgebaut werden (s. „Gerbung“ zur Lederherstellung).
Oxalsäure, Oxalate
Oxalsäure und ihre Salze bewirken primär Hautreizungen, Schleimhautreizungen, Erbrechen und Durchfall. Im Körper bilden sie mit Mineralstoffen, besonders mit Calcium, unlösliche Verbindungen. Dadurch kommt es zu einem Calciummangel mit Krämpfen, Lähmungen und Stoffwechselstörungen sowie zu Herz- und Nierenschäden. Die Calciumoxalate lagern sich als Blasen- und Nierensteine ab.
Glycoside
Glycoside sind eine Stoffklasse mit sehr vielen verschiedenen Untergruppen, die sich zum Teil überschneiden. Sie bestehen stets aus einem Zuckermolekül („Glycon“), welches über eine „glycosidische Bindung“ an ein sogenanntes „Aglycon“, den „Nicht-Zuckerteil“, gebunden ist.
Die glycosidische Bindung erfolgt meist über ein Sauerstoffatom einer Hydroxy-Gruppe, kann jedoch auch über ein Stickstoff- oder Schwefelatom erfolgen. Chemisch unterscheidet man daher O-Glycoside, N-Glycoside und S-Glycoside. Glycoside haben viele verschiedene Funktionen in der Natur, längst nicht alle sind giftig.
Bei den als Giftstoffen geltenden Glycosiden ist vor allem das Aglycon für die Toxizität verantwortlich, jedoch erhöht der gebundene Zucker die Wasserlöslichkeit und somit die Aufnahme des Giftstoffes im Organismus.
Die Einteilung von Pflanzengiften in verschiedene Untergruppen folgt keinen speziellen Regeln und kann oft auch verwirrend sein. Gerade bei den Glycosiden kommen viele Stoffe vor, die auch ohne die Bindung an ein Zuckermolekül als Giftstoff zählen und daher auch einzeln gelistet sind. Tritt der gleiche Stoff als „Aglycon“ (also gebunden an einen Zucker) auf, gilt er als Glycosid.
Abhängig von der Grundstruktur des Aglycons unterscheidet man vor allem folgende Untergruppen:
Herzwirksame Glycoside, Digitaloide, Cardenolide
Herzwirksame Glycoside beeinflussen den Herzmuskel, typische Symptome sind Herzrhythmusstörungen, Sehstörungen, Übelkeit und Erbrechen.
Die Therapie erfolgt durch Hemmung der weiteren Aufnahme mittels Magenspülung und Aktivkohlegabe, Ausgleich der Elektrolyte und Behandlung der Herzrhythmusstörungen. Ansonsten kann nur symptomatisch behandelt werden. Je nach Aufbau des Aglycons unterscheidet man Cardenolide und Bufadienolide. Die pharmakologischen Eigenschaften sind dagegen bei allen herzwirksamen Glycosiden gleich. Wegen ihrer speziellen Eigenschaften werden Herzglykoside von den verwandten Saponinen unterschieden.
Cyanogene Glycoside
Cyanogene Glycoside selbst sind ungiftig, sie enthalten jedoch im Molekül gebundene Blausäure, welche durch enzymatische Spaltung der Glycoside freigesetzt werden kann. Diese Spaltung erfolgt entweder im Organismus, der den Stoff aufnimmt, oder noch in der Pflanze selbst.
Viele Pflanzen besitzen als Schutz vor Fraßschädlingen einen Schutzmechanismus. Cyanogene Glycoside und zur Spaltung geeignete Enzyme liegen in den Pflanzenzellen in getrennten Kompartimenten ("Zellräumen") vor. Wird die Pflanze beschädigt, reagieren beide Stoffe miteinander, so dass HCN (= Blausäure) freigesetzt wird. HCN blockiert im Organismus das aktive Zentrum eines für die Atmungskette wichtigen Enzyms. Dies hat zur Folge, dass kein Sauerstoff mehr aufgenommen werden kann, die entsprechenden Stoffwechselvorgänge kommen zum Erliegen, der Organismus "erstickt". Da die Blockade reversibel ist, kann ein Therapieversuch mit Na2S2O3 (Natriumthiosulfat) unternommen werden.
Saponine
Saponine (lat. „Sapo“ = „Seife“) wirken haut- und schleimhautreizend und dienen den Pflanzen als Abwehrstoffe. Lösungen von Saponinen in Wasser schäumen und haben eine stark verringerte Oberflächenspannung. Im Organismus kann dies zu einer Veränderung von Zellmembranen und zu Hämolyse führen. Für Fische sind Saponine meistens sehr giftig. Die Aglycone von Saponinen bezeichnet man als Sapogenine, je nach ihrer Zusammensetzung (Terpen- oder stickstoffhaltige Verbindungen) unterscheidet man Triterpen-Saponine und Steroidalkaloide. Der Zuckerteil ist oft D-Glucose oder –Galactose.
In der Humanmedizin werden Saponine z.B. als Hustenmittel eingesetzt.
Senfölglycoside
Senfölglycoside sind für den scharfen oder bitteren Geschmack vieler Kreuzblütler und anderer Pflanzen (Rettich, Senf, Kresse, Kohl) verantwortlich. Durch enzymatische Spaltung bei Aufnahme oder Verletzung des Pflanzenmaterials entstehen giftige Abbauprodukte, welche Schleimhautreizungen, Leber- und Nieren-Schäden und durch Verminderung der Iod-Aufnahme Schilddrüsenprobleme hervorrufen.
Iridoidglycoside
Iridoidglycoside haben einen sehr bitteren Geschmack und dienen ebenfalls als Abwehrstoffe. Im Gegensatz zu den meisten anderen Glycosiden sind Iroidglycoside kaum reaktiv, das Aglycon entfaltet seine Giftwirkung erst, wenn es vom Zuckerteil abgespalten wird. Dies wird in der (unverletzten) Pflanze dadurch verhindert, dass die Iridoidglycoside in „Kompartimenten“ („Zellräumen“) vorliegen, wo sie vor Enzymen geschützt sind. Werden Pflanzenzellen durch Fressfeinde verletzt, kommen die Iridoidglycoside mit speziellen Enzymen in Berührung, die den Zuckerteil abspalten und so den Giftstoff aktivieren. Dieser denaturiert Proteine, was sowohl direkt körpereigene Eiweiße im Organismus schädigt, als auch indirekt bei wiederholter oder regelmäßiger Aufnahme zu einer Eiweißunterversorgung führen kann.
Polyphenole und Polyphenolglycoside
Polyphenole zählen eher zu den „sekundären Pflanzenstoffen“ als zu den Giften. Sie wirken, ähnlich wie Vitamin C und E, antioxidativ, jedoch ist ihre Bioverfügbarkeit schlechter und die Wirksamkeit daher schwächer. Die Toxizität wird (für Menschen!) meistens als gering eingeschätzt.
Polyphenole liegen oft als Glycoside, also an Zucker gebunden vor, ihre wichtigsten Vertreter sind Flavon- und Anthocyanverbindungen. Flavone sind die Aglycone der Flavonoide, Anthocyane die der Anthocyanidine. Beide Gruppen von Pflanzenfarbstoffen kommen in der Natur oft zusammen vor, ihre Struktur ist sehr ähnlich.
Cumaringlycoside
Cumaringlycoside wirken wie ihr Aglycon Cumarin und sind nur in größeren Mengen toxisch. Symptome sind Erbrechen, Schwindel, Lähmungen und Atemstillstand. Cumarin ist ein Duftstoff, der z. B. in Heu (geringe Mengen), Waldmeister und Ruchgras vorkommt.
Glucoside
Glucoside sind Glycoside, deren Aglycon (meist ein Alkohol) an den Zucker Glucose gebunden ist. (Im Gegensatz zu allen anderen Glycosiden richtet sich hier die Einteilung nicht nach der Struktur des Aglycons, sondern nach der des Zuckerteils.)
Proteine, Lectine und Toxalbumine
Proteine, Lectine und Toxalbumine bestehen aus Aminosäuren und gehören zu den Proteinen.
Lectine sind Proteine oder Glycoproteine, die spezifisch an Zellen binden können. Dadurch können sie verschiedene Reaktionen hervorrufen und den Stoffwechsel stark beeinflussen. Glycoproteine sind Verbindungen aus Kohlenhydraten und Proteinen, die auch im tierischen und menschlichen Körper, z. B. in Sekreten und Zellwänden, vorkommen. Sie spielen als Transmebranproteine eine wichtige Rolle im Immunsystem.
Toxalbumine, z. B. Ricin, sind stark giftige Proteinverbindungen, die in einigen wenigen Pflanzen (z. B. Ricinusbaum) und Bakterienstämmen sowie in Schlangengiften vorkommen. Sie führen zu starkem Durchfall und Lähmungen.
Chinone, Benzochinone und Anthrachinonderivate
Chinone sind aromatische Verbindungen, die in der Natur häufig als Farbstoffe vorkommen. Chinone oxidieren Proteine und Aminosäuren und haben antimikrobielle Eigenschaften. In höheren Dosen sind sie meist giftig. Sie entstehen v.a. durch Oxidation von Polyphenolen (siehe oben) und bewirken z. B. auch die Braunfärbung von Äpfeln. Auch Vitamin K und Ubichinon („Coenzym Q10“) gehören zu den Chinonen.
Benzochinone kommen als Abwehrstoffe in Pflanzen und Insektengiften vor, sie bewirken starke Hautreizungen, Erbrechen und Durchfall.
Anthracen- und Anthrachinonderivate sind sekundäre Pflanzenstoffe, die Durchfall verursachen. Eine krebserregende Wirkung wird vermutet, ist aber bisher nicht nachgewiesen.
Steroide
Steroide sind organische Verbindungen mit vielfältigen biochemischen Funktionen und Wirkungen. Sie werden gemäß ihrer Struktur definiert und enthalten immer eine spezielle Anordnung von vier Kohlenstoffringen (das Steran-Grundgerüst). Deshalb überschneiden sie sich zum Teil mit vielen anderen Stoffgruppen, oder sie bilden spezielle Untergruppen anderer Wirkstoffe:
- Steroidhormone (Sexualhormone, Cholesterin, Glucocorticoide (z. B. Cortison)
- Gallensäuren
- herzwirksame Steroide (Aglykone der Herzglykoside, Cardenolide und Bufadienolide - siehe Glykoside)
- Sapogenine (siehe Glykoside -> Saponine)
- Steroidalkaloide (siehe Alkaloide)
- Vitamine
Steroide kommen in Tieren, Pflanzen und Pilzen vor.
weiterführende Weblinks und Quellen:
Buchtipps und Quellen:
- Buchtipps: Giftpflanzen
- Roth, Daunderer, Kormann: Giftpflanzen – Pflanzengifte
Autor: lilith, letztes Update: 19.10.2010